von Denise Pätzold

Geist & Seele

Wie wir lernen, weniger gegen uns selbst zu denken

Unsere Gedanken begleiten uns ständig. Sie kommentieren, bewerten und ordnen das, was wir erleben – oft ganz automatisch. Manche dieser inneren Kommentare sind hilfreich, andere hingegen belasten uns, verunsichern oder bremsen uns aus. Wer beginnt, eigene Gedankenmuster bewusst wahrzunehmen, gewinnt nicht nur Klarheit, sondern auch mehr inneren Handlungsspielraum.

Wenn Denken zur Gewohnheit wird

Gedanken entstehen nicht zufällig. Sie sind das Ergebnis von Erfahrungen, Lernprozessen und wiederholten Bewertungen. Was wir häufig gedacht haben, wird mit der Zeit zur Gewohnheit. Das Gehirn bevorzugt bekannte Wege, weil sie Energie sparen. So entstehen feste Denkmuster, die uns im Alltag leiten – manchmal unterstützend, manchmal hinderlich.

Problematisch wird es, wenn diese Muster überwiegend negativ oder selbstkritisch sind. Dann denken wir weniger mit uns selbst, sondern oft gegen uns.

Kognitive Verzerrungen – Denkfehler, die fast jeder kennt

In der Psychologie spricht man von kognitiven Verzerrungen, wenn Gedanken systematisch von einer realistischen Einschätzung abweichen. Sie sind keine Krankheit, sondern normale Abkürzungen des Denkens. Einige der häufigsten sind:

  • Alles-oder-nichts-Denken
    Situationen werden nur als Erfolg oder Misserfolg bewertet. Zwischentöne fehlen. Ein kleiner Fehler reicht aus, um sich selbst komplett infrage zu stellen.

  • Gedankenlesen
    Wir glauben zu wissen, was andere über uns denken – meist etwas Negatives. Belege dafür gibt es selten.

  • Katastrophisieren
    Aus einer kleinen Schwierigkeit wird gedanklich ein großes Problem. Das Gehirn spielt Worst-Case-Szenarien durch, obwohl sie unwahrscheinlich sind.

  • Selektive Wahrnehmung
    Positive Aspekte werden ausgeblendet, während negative Details überbewertet werden. Kritik bleibt hängen, Lob verpufft.

Diese Verzerrungen wirken oft unbemerkt. Gerade deshalb beeinflussen sie unser Selbstbild besonders stark.

Warum negative Gedanken so hartnäckig sind

Negative Gedanken haben aus evolutionärer Sicht eine Funktion. Das menschliche Gehirn ist darauf ausgerichtet, Gefahren frühzeitig zu erkennen. Diese negativen Gedanken sorgen dafür, dass Bedrohungen stärker gewichtet werden als neutrale oder positive Reize.

Hinzu kommt: Gedanken, die mit starken Gefühlen verbunden sind – etwa Angst, Scham oder Schuld –, prägen sich besonders tief ein. Werden sie häufig wiederholt, entstehen feste neuronale Verbindungen. Das erklärt, warum selbst alte, längst überholte Überzeugungen immer wieder auftauchen.

Wichtig ist dabei zu verstehen: Ein Gedanke ist kein Fakt. Er ist eine mentale Reaktion – nicht die Realität selbst.

Erste Schritte zu mehr mentaler Klarheit

Gedankenmuster zu verändern bedeutet nicht, immer positiv zu denken. Es geht vielmehr darum, realistischer und fairer mit sich selbst umzugehen.

1. Gedanken beobachten statt bewerten

Der erste Schritt ist Wahrnehmung. Was denke ich gerade? In welcher Situation taucht dieser Gedanke auf? Allein das bewusste Beobachten schafft Abstand.

2. Den Gedanken hinterfragen

Hilfreiche Fragen können sein:

  • Ist dieser Gedanke eine Tatsache oder eine Annahme?
  • Welche Beweise sprechen dafür, welche dagegen?
  • Würde ich so auch mit einem guten Freund sprechen?

3. Alternative Sichtweisen zulassen

Es geht nicht darum, den negativen Gedanken zu verbieten, sondern ihm eine realistischere Perspektive zur Seite zu stellen. Oft gibt es mehrere mögliche Erklärungen für ein Ereignis.

4. Sprache bewusst verändern

Sätze wie „immer“, „nie“ oder „ich kann das nicht“ verstärken innere Enge. Eine präzisere Sprache („im Moment fällt es mir schwer“) wirkt entlastend und öffnet neue Handlungsspielräume.

 

Fazit: Weniger gegen sich selbst denken

Gedankenmuster lassen sich nicht über Nacht verändern. Doch schon kleine Veränderungen in der inneren Haltung können spürbare Erleichterung bringen. Wer beginnt, die eigene Gedankenwelt ernst zu nehmen, ohne sich mit ihr zu identifizieren, gewinnt innere Freiheit.

Mentale Klarheit entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Verständnis. Und dieses Verständnis ist ein wichtiger Schritt hin zu einem freundlicheren, stabileren Umgang mit sich selbst.

Weitere interessante Beiträge & Inspirationen zum Thema

Zurück