von Denise Pätzold

Geist & Seele

Wie wir lernen, für uns selbst einzustehen – achtsam, klar und mit Herz

Es gibt Momente, in denen wir „Ja“ sagen, obwohl wir innerlich „Nein“ meinen. Wir helfen, obwohl wir selbst kaum noch Kraft haben. Wir passen uns an, um niemanden zu enttäuschen. Doch auf Dauer kostet uns das Energie – und innere Ruhe. Grenzen zu setzen ist kein Egoismus, sondern ein Akt gesunder Selbstachtung. Aber: Grenzen zu wahren heißt nicht, sich ständig um das eigene Wohl zu drehen.

Echte Selbstfürsorge entsteht nicht aus Rückzug, sondern aus Verbundenheit – mit sich selbst und mit anderen.

Warum es wichtig ist, unsere Grenzen zu bewahren

Grenzen sind wie die natürliche Schutzhülle unserer Seele. Sie bewahren uns davor, uns zu überfordern, und ermöglichen zugleich, dass wir anderen aus einer Haltung der Stärke begegnen. Denn wer seine Grenzen kennt, kann geben, ohne sich zu verausgaben.

Gesunde Grenzen schaffen Balance:

  • Sie halten unsere Energie im Gleichgewicht.
  • Sie machen Beziehungen klarer und ehrlicher.
  • Sie schützen uns – und erhalten gleichzeitig unsere Fähigkeit zu Empathie.

Grenzen zu wahren bedeutet also nicht, sich abzugrenzen, sondern sich bewusst zu verbinden – ohne sich zu verlieren.

Was passiert, wenn wir unsere Grenzen nicht schützen?

Wer dauerhaft über seine Grenzen geht, fühlt sich irgendwann leer und ausgelaugt. Es entsteht eine Form des inneren Ungleichgewichts: Wir geben zu viel und spüren zu wenig.

Die Folgen können sein:

  • emotionale Erschöpfung
  • Gereiztheit und Rückzug
  • körperliche Spannungen oder Schlafprobleme
  • ein schleichender Verlust von Freude

Doch das Gegenteil – ein ständiger Rückzug in die eigene „Selfcare-Blase“ – führt ebenfalls in eine Einseitigkeit. Wenn Selbstfürsorge zur dauerhaften Selbstbeschäftigung wird, verliert sie ihre Tiefe. Wahre Selbstfürsorge ist immer beziehungsfähig. Sie schenkt uns Energie, um für andere da zu sein, ohne uns zu verausgaben.

Schuldgefühle beim Nein-Sagen – woher sie kommen

Viele von uns haben gelernt, dass man „gut“ ist, wenn man für andere da ist. Hilfsbereitschaft, Rücksicht, Fleiß – das sind Werte, die unser Miteinander prägen. Doch manchmal wird daraus ein unbewusstes Muster: Ich bin nur wertvoll, wenn ich gebe.

Schuldgefühle entstehen, wenn wir dieses Muster durchbrechen. Wir fühlen uns egoistisch, obwohl wir eigentlich nur Verantwortung für unsere Energie übernehmen.

Hier hilft ein Perspektivwechsel: Ein Nein aus Selbstschutz ist kein Nein gegen den anderen – es ist ein Ja zu einer ehrlichen, gesunden Beziehung.

Selbstfürsorge ohne Egoismus – die gesunde Mitte finden

In unserer Zeit hat Selbstfürsorge fast einen Trendcharakter bekommen. Überall liest man: „Hör nur auf dich, tu was dir guttut, nimm dir Raum.“ Das ist wichtig – aber einseitig, wenn es zu einem Dauerzustand wird.

Wir brauchen beides:

  • Zuwendung nach innen – um zu spüren, was wir brauchen.
  • Zuwendung nach außen – um mit anderen verbunden zu bleiben.

Wer ständig nur auf das eigene Wohl bedacht ist, verliert den Blick für das, was Beziehungen lebendig macht: Geben, Anteilnehmen, Mitfühlen. Selbstfürsorge bedeutet nicht, sich zu isolieren – sondern bewusst zu wählen, wann und wieman gibt.

Übungen für den Alltag

1. Die innere Grenze spüren

Nimm dir einen Moment der Stille.
Atme tief ein und frage dich:
„Wie viel kann ich heute wirklich geben, ohne mich zu überfordern?“
Diese ehrliche Selbsteinschätzung ist die Basis gesunder Balance.

2. Das klare Nein mit Herz

Ein Nein darf freundlich, ruhig und liebevoll sein.
Sage z. B.: „Ich würde gern helfen, aber heute brauche ich Ruhe. Morgen kann ich wieder da sein.“
So bleibst du authentisch und verbunden.

3. Das Geben bewusst gestalten

Überlege dir jeden Tag: Was kann ich heute Gutes tun – für mich und für jemand anderen?
Diese kleine Übung verhindert, dass Selbstfürsorge zur Einbahnstraße wird.

4. Schuldgefühle wandeln

Wenn Schuldgefühle auftauchen, sage innerlich: „Ich darf mich achten – und gleichzeitig offen bleiben für andere.“
Das löst das Entweder-Oder auf und schafft Raum für ein Sowohl-als-auch.

Selbstfürsorge bedeutet Beziehung

Sich selbst zu achten, bedeutet nicht, sich ins Zentrum zu stellen. Es bedeutet, in einer gesunden Balance zwischen Geben und Nehmen zu leben. Nur wer gut für sich sorgt, kann auch verlässlich und empathisch für andere da sein. Wenn Selbstfürsorge zu Rückzug wird, verliert sie ihr Herz. Wenn sie aus Liebe geschieht, wird sie zur Grundlage echter Gemeinschaft.

 

Fazit

Grenzen zu setzen heißt: Ich kenne meinen Wert – und ich sehe auch den Wert des anderen. Es geht nicht darum, Mauern zu bauen, sondern um bewusste Türen – die wir öffnen oder schließen dürfen.

Selbstfürsorge ist kein Trend, sondern eine Haltung: achtsam, klar, verbunden. Sie führt uns weg vom ständigen Kreisen um uns selbst – hin zu einem Leben in Balance, in dem wir geben, empfangen und in Frieden mit uns selbst und anderen sind.

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